Essayfür Polar 22, Zeitschrift für Politik, Theorie, Alltag, Thema„In der Blase – Zukunft der Öffentlichkeit“
Kollektivbewusstsein aus dem Schlamm: über David Milchs 'Deadwood'
In diesen Zeiten wollen wir alles Gute lobpreisen, das aus den USA kommt. Zum Beispiel Deadwood, eine 36-teilige Serie, die narrativ brillant mit einem klassischen Western-Konflikt spielt: dem von Wildheit vs. Zivilisation, Vulgarität vs. Kultiviertheit.
Im Jahr 1876 ist Deadwood ein Camp im Goldrausch. Man lebt vorzivilisatorisch, in einem „state of nature“; es wird geschürft, betrogen, gedrogt, gemordet. Gewalt gilt als pragmatische Kunst des Geschäftemachens, und zu den wichtigen Dramatis Personae gehören die Businessmänner Al Swearangen vom Gem Saloon, ein Camp-Macchiavelli; der ebenso intrigante Eigentümer des Premiumpuffs, Cy Tolliver; der ölige Hotelier E.B. Farnum.
Als die Pocken ausbrechen und die Geschäfte bedrohen, rotten sich die Campväter zusammen und beschließen gemeinsam, einen Impfstoff zu besorgen. Nach der Pockenseuche kommen – noch schlimmer – Beamte der Regionalregierung nach Deadwood. Sie drohen die Legitimation von Goldclaims in Frage zu stellen, sollte das Camp nicht zügig eine administrative Struktur nachweisen. Ad hoc gründet man eine Lokalregierung, Posten werden per Fingerzeig vergeben, und das Motto der Camp-eigenen politischen Kultur lautet: „Declare, or shut the fuck up.“
Aus diesem Farce-Fundament entsteht allmählich ein Bewusstsein für die öffentliche Sache, fürs Überleben im Kollektiv. Die mächtigen Männer lassen langsam etwas wachsen, das größer wird als sie selbst. Eine Bank. Ein Schulgebäude. Ein Theater. Eine Ordnung.
Dabei glänzt der Theatermann Jack Langrishe als Solidaritätsmanager. Er veranstaltet eine Amateur Night, bei der das ganze Camp open air zusammen kommt und bejubelt, wie ausgewählte Deadwooder Bürger Kunststückchen vorführen: Zwei Verlotterte machen Bocksprünge, eine Frau singt „Jesus loves me“. Langrishe würdigt noch die dürftigste Nummer mit Ausrufen wie „magnifico“. Denn er weiß, dass es hier nicht um kleine Kunststückchen, sondern ums große Ganze geht. Um die Kunst des community building.
Deadwood, von 2004-2006 auf HBO, ist aktuell zu sehen auf Netflix
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